Montag, 14. Januar 2019

Schadensersatzpflicht wegen fehlender Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG?

Anlagemodelle „Cash Select u. Cash Direct“ erlaubnisbedürftige Bankgeschäfte i. S. v. § 32 Abs. 1 KWG

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt, Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In seinem Urt. v. 16.10.2018, Az. VI ZR 459/17, hatte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob dem Kapitalanleger bei der fehlgeschlagenen Kapitalanlage „Cash Direct“ ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG zusteht. Das Landgericht Rottweil hatte in seiner Entscheidung vom 27.10.2017, Az. 1 S 32/17, einen solchen Schadensersatzanspruch mit der Begründung abgelehnt, bei dem Kapitalanlagemodell handele es sich bereits um kein Bankgeschäft i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG, da Gegenstand des Vertrages nicht die Annahme von Geld sei, sondern vielmehr die Annahme einer Lebensversicherung.

Dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Allerdings hält der Bundesgerichtshof zunächst fest, dass das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass es sich bei § 32 Abs. 1 S. 1 KWG um ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten des einzelnen Kapitalanlegers handelt. Allerdings führt der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 10.07.2018, Az. VI ZR 263/17, aus, dass im konkreten Fall von einem erlaubnisbedürftigen Bankgeschäft i. S. v. § 32 Abs. 1 KWG auszugehen ist, da eine Annahme von Geldern i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 zweite Alternative KWG bereits dann vorliegt, wenn die Anleger nicht unmittelbar Bar- oder Buchgeld beim Kapitalnehmer einzahlen, sondern ihm (nur) Rechte und Ansprüche aus von ihnen erhaltenen Kapitallebensversicherungen abtreten, Zweck dieser Rechtsübertragung aber die Vereinnahmung des Rückkaufswerts durch den Kapitalnehmer ist und den Anlegern das den Rückkaufswert betreffende Auszahlungsrisiko nach den vertraglichen Vereinbarungen verbleibt. Denn in einem solchen Fall sei wirtschaftlich betrachtet Zweck der Übertragung von Rechten und Ansprüchen an der vom Kapitalanleger unterhaltenen Lebensversicherung nicht die Rechtsübertragung als solche, sondern die Vereinnahmung des in der Lebensversicherung enthaltenen Rückkaufswertes durch den Kapitalnehmer, welchen dieser zur Erzielung einer Rendite anderweitig zu investieren beabsichtigt.

Ebenfalls unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 10.07.2018, Az. VI ZR 263/17, hält der Bundesgerichtshof weiter fest, dass ein qualifizierter Rangrücktritt der Annahme eines für ein Einlagengeschäft i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG sowie für das Vorliegen eines erlaubnisbedürftigen Bankgeschäfts i. S. v. § 32 Abs. 1 KWG erforderlichen unbedingten Rückzahlungsanspruchs nur dann entgegensteht, wenn die entsprechende Vereinbarung – ggf. auch AGB-rechtlich – wirksam ist.

PRAXISTIPP

Die Besonderheit in vorstehender Entscheidung vom 16.10.2018, Az. VI ZR 459/16, sowie in der diesem Urteil vorangegangen Entscheidung vom 10.07.2018, Az. VI ZR 263/17, lag darin, dass der Anbieter der Kapitalanlagemodelle Cash Select und Cash Direct bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) angefragt hatte, ob das von ihm betriebene Geschäftsmodell der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG unterliege, die BaFin wiederum diese Frage ohne Prüfung der AGB-rechtlichen Zulässigkeit des vereinbarten qualifizierten Rangrücktritts gerade im Hinblick auf den in der Übertragungsvereinbarung aufgenommenen qualifizierten Rangrücktritt verneint hatte und der Anbieter des Kapitalanlagemodells im Hinblick auf diese Negativauskunft der BaFin das Geschäftsmodell „gutgläubig“ weiter betrieben hatte, welches der Bundesgerichtshof im Nachhinein und in Abweichung von der von der BaFin vertretenen Auffassung als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft qualifizierte. Ungeachtet dessen dürfte für den Betreiber des Anlagemodells die Angelegenheit insoweit „glimpflich“ ablaufen, als der Bundesgerichtshof in seinem Urt. v. 10.07.2018, Az. VI ZR 263/17, jedenfalls im Hinblick auf den Verstoß gegen das KWG einen Verbotsirrtum angenommen und schon allein deswegen das Vorliegen eines Schadensersatzanspruches nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 Abs. 1 KWG abgelehnt hatte (vgl. hierzu kritisch Holle, BKR 2018 S. 500; zur Problematik vgl auch Kempelmann/Scholz, JZ 2018 S. 390). Allerdings wurde in der Entscheidung vom 10.07.2018, Az. VI ZR 263/17, offengelassen, ob gegen den Betreiber des Kapitalanlagemodells nicht ein weiterer Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 10 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorliegen könnte, wobei der Bundegerichtshof das Vorliegen einer Inkassodienstleistung i. S. d. RDG bejahte und die Schadensersatzhaftung nur deswegen nicht annahm, weil das Berufungsgericht bis zu diesem Zeitpunkt nicht geprüft hatte, ob dem Betreiber des Kapitalanlagemodells diesbezüglich Vorsatz vorgeworfen werden kann.



Beitragsnummer: 1057

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